Ein starkes Stück

Von Daniel NierenzAllgemeines4 Kommentare

Hatten nicht in der Vergangenheit einzelne Personen das Gefühl, dass in der Justiz nicht immer alles so mit rechten Dingen zuging, wie es hätte sein sollen? Waren es die überfüllten Schreibtische der Richter und Staatsanwälte, die einen zumindest zeitweisen Stillstand der Rechtspflege empfinden ließ, oder waren es vermutete Kungeleien und Mauscheleien, die sich dahinter zu verbergen schienen? Ob das nun subjektiv oder objektiv der Fall war, vermag man dann auch nicht immer zu sagen. Allerdings hat die Siegener Zeitung nunmehr einen solchen Fall unter dem Titel „Das Ding mit der Krähe“ an die Oberfläche gebracht, bei dem der Leser mehr als nur ein ungutes Gefühl von der Siegener Justiz bekommt, wenn man den Vorwürfen Glauben schenken darf.
Zwei Siegerländer Polizeibeamte sollen sich im Oktober 2013 an einer Ampel postiert haben, um Rotlichtfahrer zu erwischen. Nach einiger Zeit fuhr tatsächlich ein Fahrzeug über die Ampel, obwohl diese bereits möglicherweise einige Sekunden „Rot“ angezeigt hatte. Die Verfolgung mit dem Streifenwagen begann und endete zum Erstaunen der Polizeibeamten auf dem Gerichtsparkplatz. Der Siegener Strafrichter Uwe S. konnte als Fahrer des vermeintlichen „Rotlichtfahrzeugs“ identifiziert werden. In einem eher unfreundlichen Gespräch endete das Zusammentreffen der Beamten mit dem Richter, wobei der Richter deutlich gemacht haben soll, dass diese Anzeige in „seinem Hause geregelt werde“.nierenz
Wie der Siegener Gerichtspressesprecher mitgeteilte, haben sich einige Richter am Amtsgericht selber für befangen erklärt und das Verfahren weiter gegeben, bis es beim Richter Dr. W. landete. Dieser hatte scheinbar kein Problem mit der Befangenheit und übernahm das Verfahren. Dr. W. war ebenfalls im Dezernat für Ordnungswidrigkeiten zuständig, bearbeitet aber sonst Zivilsachen.
An einem Freitag im Juni 2014 zu einer für eine Gerichtsverhandlung sehr späten Stunde – es war 15.10 h – kam es somit zur Hauptverhandlung gegen den Richter Uwe S. unter Vorsitz seines langjährigen Richterkollegen Dr. W. Zu solchen Zeiten ist der Publikumsverkehr normal nicht mehr im Gericht. Selbst die in jedem Gericht vorhandenen „Berufszuschauer“ sind um diese Zeit längst zu Hause. So erstaunte es den Vorsitzenden Dr. W., der über seinen Kollegen zu richten hatte, dass doch eine einzelne Person im Zuschauerraum saß. Der Richter fragte den Zuschauer denn auch, wer er sei, und dieser entgegnete, er wäre die interessierte Öffentlichkeit. Den als Zeuge geladenen Beamten hatte im Vorfeld ein schlechtes Gefühl ergriffen, und so bat er einen Polizeikollegen, ihn zu dieser Verhandlung zu begleiten. Während Ordnungswidrigkeitenverfahren vor Amtsgerichten selten mehr als 15 Minuten in Anspruch nehmen, wurde der Polizist dem Vernehmen nach mehr als eine dreiviertel Stunde lang von dem Richter Dr. W. befragt und zwischenzeitlich vom Richter mit einem Verfahren wegen angeblicher Falschaussage bedroht. Am Ende der Hauptverhandlung wurde Richter Uwe S. vom Vorwurf des Rotlichtverstoßes freigesprochen.
Die beiden Beamten haben nunmehr Strafanzeige gegen den Richter am Amtsgericht Dr.W. wegen des Verdachts der Rechtsbeugung erstattet.

Oberstaatsanwalt Johannes Daheim hatte gegenüber der Siegener Zeitung die strafrechtliche Prüfung gegen Richter Dr. W. bestätigt. Auch dieser Vorgang irritiert sehr, dürfte doch auch die Siegener Staatsanwaltschaft grundsätzlich befangen gegenüber einem Strafrichter sein, mit dem sie seit Jahren tagtäglich zu tun hat und der im gleichen Haus an der Berliner Straße arbeitet. Hier hätte die Staatsanwaltschaft mehr Fingerspitzengefühl zeigen müssen und den Vorgang an die für solche Fälle zuständige Strafermittlungsbehörde nach Arnsberg abgeben müssen.
Wenn normalerweise regelmäßig der Eindruck eines Strafverteidigers ist, dass die Aussage eines Polizeibeamten die von zehn gegensätzlich aussagenden Zeugen ersetzt, entsteht nunmehr der Eindruck, dass die Einlassung eines Richterkollegen über Aussagen der Polizei steht. Respekt gegenüber Polizeibeamten geht anders.
Franz Josef Strauß sagte mal in einem anderen Zusammenhang, der Rechtsstaat müsse Zähne bekommen und zubeißen können. Dies gilt besonders hier. Das Vertrauen des Bürgers in den Rechtsstaat ist in erheblichem Maße gefährdet, denn wenn sich das alles so bewahrheiten sollte, wäre das ein sehr trauriges Stück deutscher Rechtsgeschichte und würde der Siegener Justiz in ihrer Glaubwürdigkeit enorm schaden.