Impressumspflicht – Wenn Instagram zur GmbH wird

Impressumspflicht – Wenn Instagram zur GmbH wird

Es beginnt wie so viele digitale Tragödien: harmlos. Ein Sonntagabend, ein dampfender Apfelkuchen, goldenes Licht fällt durch die Küche, und Erna – 67 Jahre jung, verwitwet, vital und Besitzerin eines Smartphones – hält diesen Moment für festhaltenswert. Sie tippt auf „Posten“. „#OmasBackstube“, schreibt sie. Elf Follower. Die Likes trudeln ein. Und damit – völlig unbemerkt – der rechtliche Albtraum.

Denn was Erna nicht weiß: Sie steht mit einem Bein bereits im Medienrecht. Willkommen in Deutschland – wo nicht nur der Datenschutz allgegenwärtig ist, sondern auch die Impressumspflicht wie ein Damoklesschwert über jedem steht, der es wagt, mehr als drei Fotos mit Filtern ins Internet zu stellen.

Was will das Gesetz?

Das Telemediengesetz (TMG) – bald vollständig im Digitale-Dienste-Gesetz (DDG) aufgegangen – fordert von „geschäftsmäßigen, in der Regel gegen Entgelt angebotenen Telemedien“ ein Impressum. Klingt wie ein Gesetzestext aus der römischen Antike, hat aber erstaunlich reale Folgen. Denn „geschäftsmäßig“ heißt eben nicht nur: „Ich verkaufe Dinge.“ Sondern auch: „Ich betreibe das regelmäßig.“

Die Grenze verläuft nicht zwischen Influencern mit Rabattcodes und harmlosen Kaffeefotos, sondern irgendwo in der nebulösen Grauzone dazwischen. Wer regelmäßig Inhalte postet – egal ob für Geld oder Fame oder einfach, weil er seinen Tag mit der Welt teilen will – kann in den Augen der Behörden als „geschäftsmäßig“ gelten.

Die Crux mit der Adresse

Ein Impressum braucht nicht viel – aber das, was es braucht, ist heikel:

  1. Vollständiger Name

    2. Ladungsfähige Anschrift

    3. Kontaktinformationen

Und ja, „ladungsfähig“ bedeutet in der Regel: die private Wohnadresse. Keine Postfächer. Keine Pseudonyme. Kein „bitte keine Werbung“.

Für Privatpersonen mit Followern – oder schlimmer noch: mit einer Meinung – ist das ein echtes Problem. Die Angabe der Wohnadresse im Netz ist keine triviale Sache. Stalking, Doxxing, Belästigung – all das sind keine hypothetischen Szenarien mehr, sondern Alltag für viele Menschen, vor allem Frauen, im Internet.

Die Ironie: Während Tech-Riesen ihre Steuervermeidung in Briefkastenfirmen auf den Cayman Islands perfektionieren, müssen deutsche Hobbybäcker*innen öffentlich machen, wo genau sie wohnen. Transparenz für alle – nur nicht für die, die wirklich Macht haben.

Impressum – das neue Statussymbol?

Inzwischen ist das Impressum auf Instagram fast so etwas wie ein Statussymbol geworden. Wer es hat, zeigt: Ich nehme das hier ernst. Ich bin quasi ein Unternehmen. Ich bin haftbar.

Zwischen AGB-Generatoren, DSGVO-konformen Cookie-Bannern und dem Versuch, das alles irgendwie rechtskonform in eine Instagram-Bio zu quetschen, ist ein neuer Berufsstand entstanden: der semi-professionelle Influencer mit juristischer Grundausbildung.

Es gibt Tutorials, Online-Workshops, sogar ganze Kanzleien, die sich auf „Social Media Compliance“ spezialisiert haben. Abmahnanwälte reiben sich die Hände, denn ein fehlendes Impressum kann schnell einige hundert Euro kosten.

Und Erna? Erna wollte doch nur ihren Kuchen zeigen. Stattdessen googelt sie jetzt: „Was ist eine ladungsfähige Anschrift?“ und „Wie mache ich meinen Instagram-Account privat?“.

Ein bisschen Wahnsinn muss sein

Natürlich, man kann das alles als notwendige Rechtsstaatlichkeit verteidigen. Medienhoheit, Transparenz, Verbraucherschutz. Und ja – niemand möchte in einer Welt leben, in der jeder anonyme Troll sich als Presseorgan aufspielt.

Aber vielleicht, nur vielleicht, könnte man zwischen einem 16-jährigen TikToker, der Schminktipps gibt, und einem milliardenschweren Medienimperium doch differenzieren. Vielleicht könnte man – verrückter Gedanke – die Schwelle für Impressumspflicht etwas höher ansetzen als „du hast regelmäßig was gepostet“.

Oder – noch kühner – man könnte ein System entwickeln, bei dem man nicht sofort mit einer Abmahnung rechnen muss, wenn man es wagt, im Netz sichtbar zu sein.

Fazit: Öffentlich = gefährlich

In Deutschland heißt digital sichtbar sein: rechtlich angreifbar sein. Wer sich zeigt, muss sich auch nackig machen – zumindest bis zur Hausnummer.

Und so bleibt der digitale Raum das, was er in Deutschland immer war: kein Abenteuerspielplatz, sondern ein rechtliches Labyrinth mit Fallstricken an jeder Ecke.

Erna hat inzwischen ihren Account gelöscht. Stattdessen druckt sie ihre Rezepte jetzt auf Papier, verteilt sie beim Seniorentanztee – anonym, ohne Likes, ohne Hashtags. Nur der Dackel ist traurig. Er war so schön fotogen.

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