Zwischen Verfassungstreue und Parteifunktion: Das Spannungsfeld einer AfD-Schriftführerin im Justizdienst

Von Klaus J. StanekAllgemeines0 Kommentare
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Von Daniel Nierenz, Rechtsanwalt und Notar

Die Diskussion um die politische Neutralität von Amtsträgern hat durch die zunehmende Präsenz extremistischer Parteien im Staatsdienst neue Brisanz erhalten. Ein aktueller Fall aus Siegen illustriert dieses Spannungsfeld exemplarisch: Eine Rechtspflegerin am Amtsgericht Siegen ist gleichzeitig Schriftführerin des Kreisverbands der AfD Siegen-Wittgenstein – einer Partei, die vom Bundesamt für Verfassungsschutz inzwischen als gesichert rechtsextrem eingestuft wird.

Diese Konstellation wirft fundamentale Fragen auf: Wie vereinbar ist ein solches Parteiamt mit der Pflicht zur Verfassungstreue, die jeder Beamte innehat? Welche rechtlichen Konsequenzen ergeben sich daraus? Und wie steht es um die Glaubwürdigkeit der Justiz, wenn ein aktives Parteimitglied mit extremistischen Verbindungen hoheitliche Aufgaben wahrnimmt?

Die Pflicht zur Verfassungstreue im Beamtenrecht

Beamte sind nach Art. 33 Abs. 5 GG und § 33 BeamtStG verpflichtet, sich zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung zu bekennen und ihr Verhalten so zu gestalten, dass das Vertrauen in ihre Unabhängigkeit und Neutralität nicht beeinträchtigt wird. Dies umfasst sowohl das dienstliche als auch außerdienstliche Verhalten.

Eine aktive Funktion in einer Partei, die vom Verfassungsschutz als verfassungsfeindlich eingestuft wird, kann dieses Vertrauen erheblich erschüttern. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) bestätigt dies:

  • Im Urteil vom 3. Mai 2007 (2 C 9.06) wurde klargestellt, dass eine aktive Beteiligung an einer verfassungsfeindlichen Partei ein Dienstvergehen darstellt und disziplinarrechtliche Konsequenzen rechtfertigt.
  • Im Beschluss vom 25. Juli 2013 (2 B 48.13) betonte das Gericht, dass ein einmal entstandener Vertrauensverlust durch Zeitablauf nicht geheilt wird, sofern das Fehlverhalten besonders gravierend war.

Der Fall der AfD-Schriftführerin am Amtsgericht Siegen

Die betroffene Rechtspflegerin nimmt am Amtsgericht Siegen hoheitliche Aufgaben wahr. Zugleich ist sie Schriftführerin im Kreisverband der AfD Siegen-Wittgenstein. Dieses Amt ist mehr als eine passive Mitgliedschaft: Es bedeutet aktive Mitwirkung an der inneren Organisation einer Partei, die vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem bewertet wird.

Hierin liegt ein Loyalitätskonflikt, der nicht nur die Glaubwürdigkeit der Rechtspflege infrage stellt, sondern auch einen Verstoß gegen die beamtenrechtliche Treuepflicht darstellt. Anders als in Bundesländern wie Rheinland-Pfalz, wo die Zugehörigkeit von AfD-Mitgliedern zum Landesdienst verboten ist, herrscht in Nordrhein-Westfalen noch Unsicherheit und Zurückhaltung.

Glosse: Zwischen Justiz und Populismus – Eine Provokation in Amtskleidung

Diese Personalie ist mehr als ein Einzelfall. Sie ist eine Provokation für den Rechtsstaat:

Wer mit der AfD marschiert, marschiert gegen den Geist des Grundgesetzes. Wer zugleich hoheitliche Aufgaben im Gericht erfüllt, schiebt die Grenze zwischen Recht und politischem Populismus beiseite. Die Rechtspflegerin beim Amtsgericht Siegen, die sich in der AfD als Schriftführerin betätigt, steht im Spannungsfeld zwischen Rechtspflege und Rechtspopulismus. Die Justiz, die sie mitgestaltet, braucht weder Gesinnungstests noch ein Parteienprivileg für Extremisten – sie braucht Verfassungstreue und das Bekenntnis zur Demokratie. Und diese kann bezweifelt werden.

Dieser unversöhnliche Blick unterstreicht die Dringlichkeit, klar zu handeln – nicht nur moralisch, sondern juristisch.

Ausblick: Konsequenzen und Reformbedarf

Die Entscheidungsträger in Politik und Verwaltung sind aufgerufen, klare Standards zu setzen. Das Beamtenrecht bietet die instrumentellen Möglichkeiten, Verfassungstreue sicherzustellen und extremistische Parteifunktionen mit hoheitlichen Ämtern unvereinbar zu machen.

Rechtliche Instrumente wie disziplinarrechtliche Verfahren, Ausschluss aus dem öffentlichen Dienst und klare dienstrechtliche Vorgaben müssen konsequent genutzt werden. Die Glaubwürdigkeit der Justiz und das Vertrauen der Bürger in den Rechtsstaat stehen auf dem Spiel.

Fazit

Der Fall einer AfD-Schriftführerin am Amtsgericht Siegen offenbart den schmalen Grat, auf dem Beamte mit extremistischen Parteifunktionen wandeln. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts macht deutlich: Verfassungstreue ist keine bloße Floskel, sondern ein bindendes Pflichtgebot, das auch außerdienstliches Verhalten umfasst.

Der Rechtsstaat muss wachsam sein und konsequent handeln, wenn seine eigenen Amtsträger mit antidemokratischer Gesinnung ins Amt streben.

Quellen:

  1. BVerwG, Urteil vom 3. Mai 2007 – 2 C 9.06, NJW 2007, 2913
  • BVerwG, Beschluss vom 25. Juli 2013 – 2 B 48.13
  • Bundesamt für Verfassungsschutz, Bericht 2024
  • BeamtStG § 33
  • Verwaltungsvorschriften Rheinland-Pfalz, 2024
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