Mann stiehlt sein eigenes Auto zurück – aber darf er das überhaupt?
Von Klaus J. StanekInteressantes, Lesenswertes, Polizei, Rechtsanwalt Netphen, Rechtsanwalt Siegen, Skurilles0 KommentareEin Auto wird geklaut. Der Besitzer meldet den Diebstahl bei der Polizei – doch die bleibt erfolglos. Der Mann macht sich selbst auf die Suche, ortet sein Fahrzeug per GPS und holt es sich mit dem Ersatzschlüssel zurück. Der Haken: Ein anderer nennt das Auto inzwischen „seins“ – mit Kaufvertrag in der Hand. Was wie ein Fall für True Crime klingt, ist tatsächlich passiert. Und er wirft spannende juristische Fragen auf, quer durchs deutsche Sachenrecht.
Die Vorgeschichte: GPS statt Polizei
Ende April 2025 wird Fritz aus Mannheim sein Auto gestohlen. Die Polizei kann ihm nicht helfen – doch die verbauten Ortungsdienste schon. Er verfolgt das Signal bis nach Dortmund, findet das Auto in einer Wohngegend und öffnet es mit seinem Zweitschlüssel. Kurz darauf fährt er damit nach Hause.
Für ihn ist die Sache damit erledigt. Doch der Dortmunder, der das Auto offenbar seit Wochen nutzt, meldet seinerseits einen Diebstahl bei der Polizei – schließlich hatte er es, nach eigenen Angaben, legal in England gekauft. Noch am selben Abend wird Fritz vorübergehend festgenommen. Die Polizei stellt das Auto sicher.
Eigentum gegen Besitz – wer hat nun recht?
Der Fall ist juristisch komplex. Zwar konnte Fritz belegen, dass er das Auto vor Jahren gekauft hat. Doch der Dortmunder wiederum legt einen Kaufvertrag vor, der belegt, dass er den Wagen wenige Wochen nach dem Diebstahl in England bei einem Autohändler erworben hat. Das Problem: Auch wenn der Dortmunder möglicherweise gutgläubig war – nach deutschem Recht (§ 935 Abs. 1 BGB) kann niemand Eigentum an einer gestohlenen Sache erwerben.
Auch englisches Recht hilft ihm kaum weiter. Das maßgebliche „common law“ kennt ebenfalls den Grundsatz „nemo dat quod non habet“ – niemand kann mehr Rechte übertragen, als er selbst hat. Damit ist klar: Eigentümer bleibt Fritz aus Mannheim.
Doch damit ist die Sache keineswegs entschieden.
Besitzschutz schlägt Eigentum – vorerst
Nach deutschem Sachenrecht gibt es zwei wichtige Kategorien: Eigentum (wer eine Sache „rechtlich“ besitzt) und Besitz (wer die Sache tatsächlich „in der Hand“ hat). Letzterer ist ebenfalls geschützt – auch gegen den Eigentümer.
Weil Fritz sich das Auto eigenmächtig zurückgeholt hat, spricht man juristisch von „verbotener Eigenmacht“ (§ 858 BGB). Damit hat er den Besitz des Dortmunders verletzt – und muss ihn, zumindest vorübergehend, wiederherstellen. Auch wenn Fritz Eigentümer ist, schützt das Gesetz den Besitz des anderen Mannes.
Der Dortmunder kann also verlangen, dass ihm das Auto zurückgegeben wird (§ 861 BGB) – obwohl er kein Eigentümer ist.
Der Rückweg: Kann Fritz den Wagen behalten?
Ganz so einfach ist es nicht. Es gibt eine Ausnahme: Wenn der Dortmunder oder sein Verkäufer selbst das Auto „fehlerhaft“ besessen haben, und das weniger als ein Jahr vor der Rückholung passiert ist, kann Fritz den Besitz verweigern (§ 861 Abs. 2 BGB). Das trifft auf den Verkäufer des Dortmunders zweifellos zu – schließlich war das Auto gestohlen.
Doch: Der Dortmunder wusste davon nichts. Er war gutgläubig – und darf sich daher auf seinen rechtmäßigen Besitz berufen. Die Besitzschutzvorschriften greifen also doch.
Kein Ausweg über „Treu und Glauben“
Auch über den „gesunden Menschenverstand“ lässt sich keine Lösung erzwingen. Das Rechtsprinzip „Treu und Glauben“ (§ 242 BGB) lässt in bestimmten Fällen unfaire Ergebnisse kippen – doch gerade im Besitzrecht ist das ausdrücklich eingeschränkt. Ein Eigentümer darf sich eine Sache nicht einfach zurückholen – selbst, wenn sie ihm gehört.
Der Eigentümer muss trotzdem klagen
In der Praxis bedeutet das: Auch wenn Fritz der rechtmäßige Eigentümer ist, muss er das Auto möglicherweise erst einmal wieder herausgeben – und es sich dann auf zivilrechtlichem Wege zurückholen (§ 985 BGB). Es entsteht ein kurioser Umweg, bei dem sich der Eigentümer seine eigene Sache quasi „erklagen“ muss.
Ein solcher Streit kann sogar vor Gericht landen, mit Klage und Gegenklage. In einer älteren Entscheidung (BGH, 1979) hat der Bundesgerichtshof angedeutet, dass es Konstellationen gibt, in denen der ursprüngliche Besitz durch Widerklage verteidigt werden kann – auch bei verbotener Eigenmacht. Die genaue rechtliche Bewertung bleibt aber umstritten.
Und was sagt das Strafrecht?
Spannend ist auch die strafrechtliche Einordnung. Hat Fritz sich des Diebstahls strafbar gemacht? Die Antwort: Nein. Weil ihm das Auto gehörte, fehlt es an der „Fremdheit“ der Sache – § 242 StGB greift nicht.
Auch eine Strafbarkeit wegen „unbefugten Gebrauchs eines Fahrzeugs“ (§ 248b StGB) kommt wohl nicht in Betracht. Zwar war der Dortmunder im Besitz – aber kein rechtlich Berechtigter. Er hatte keinen Nutzungsvertrag, kein Pfandrecht, keine sonstige Grundlage. Fritz hat also auch hier keine Straftat begangen.
Fazit: Eigentum schützt vor Rückschlägen nicht
So absurd es klingt: Wer sein eigenes Auto zurückholt, kann sich rechtlich angreifbar machen – zumindest besitzrechtlich. Das Sachenrecht schützt nicht nur das Eigentum, sondern auch den Besitz. Wer also eigenmächtig handelt, riskiert, trotz Eigentum als „Störer“ dazustehen.
Was bleibt, ist ein juristischer Lehrbuchfall – der vielleicht bald in Uni-Klausuren auftaucht. Und ein klarer Hinweis an alle: Finger weg von Selbstjustiz. Auch wenn’s das eigene Auto ist.