„Die Stadt liest mit – und beschwert sich“
Von Klaus J. StanekAllgemeines, Ausländerrecht, Interessantes, Lesenswertes, Rechtsanwalt Netphen, Rechtsanwalt Siegen, Skurilles, Verwaltungsrecht0 KommentareSie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Standard. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf den Button unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Weitere InformationenMan muss der Stadt Siegen wirklich danken: Selten bekommt man so direktes Feedback auf eine Glosse. Nicht etwa von Leserinnen und Lesern, sondern gleich von der Stadt selbst – schriftlich, offiziell, beleidigt. Denn was macht man als moderne Verwaltung, wenn man auf Kritik stößt?
Man sucht das Gespräch?
Man hinterfragt Entscheidungen?
Man wägt Argumente ab?
Nicht in Siegen. Dort reicht ein kritischer Text über den Umgang mit einem integrationswilligen jungen Mann – und schon geht eine Beschwerde bei der Rechtsanwaltskammer ein. Der Vorwurf: Rechtsanwalt Daniel Nierenz, der öffentlich Missstände benennt, habe seine Stellung als „Organ der Rechtspflege“ verletzt.
Man staunt. Offenbar reicht es inzwischen, sich als Jurist für Menschlichkeit, Rechtsstaatlichkeit und Ausbildungschancen stark zu machen, um in Siegen zur Zielscheibe zu werden.
Was früher Zivilcourage hieß, nennt man dort heute wohl: standeswidrig.
Dabei wäre der Vorwurf ja fast lustig, wenn er nicht so entlarvend wäre:
Eine Verwaltung, die sich weigert, einen transparenten und nachvollziehbaren Umgang mit dem Fall Kilic zu führen, holt sich lieber die Kammer zur Hilfe, wenn jemand ihre Linie in Frage stellt. Vielleicht, weil es einfacher ist, einen Anwalt zu rügen, als einen Fehler zuzugeben.
Oder um es in der Sprache der Bürokratie zu sagen:
Kritikabwehr durch Zuständigkeitsverlagerung bei gleichzeitiger Verantwortungsvermeidung.
Klingt harmlos, ist aber: autoritär-light.
Denn worum geht es eigentlich?
Ein junger Mann mit C1-Zertifikat, unbefristetem Job und unterschriebenem Ausbildungsvertrag wird zur Ausreise gedrängt – weil der Vertrag angeblich rechtsmissbräuchlich sei. Belege? Keine. Anhörung? Unklar. Rechtsmittel? Zu spät.
Und als man das thematisiert, kommt nicht etwa Aufklärung – sondern ein Kammerbrief.
Doch während man noch den Kopf schüttelt, reicht die Siegener Verwaltung das nächste Stück Bürokratie-Theater nach: der Fall Togo.
Ein Mann, geboren in Togo, ausgebildet, voll integriert, beruflich etabliert, von Kollegen geschätzt – soll plötzlich kein Deutscher mehr sein. Warum? Weil im Jahr 1900 ein kaiserlicher Beamter angeblich keine Erlaubnis zur Eheschließung hatte.
Kein Scherz, sondern tatsächliche Begründung.
Ein Relikt aus der Kolonialzeit – aufgegriffen im Jahr 2025 – als ob man die Rechtsabteilung mit dem Archiv des Kaiserreichs zusammengelegt hätte.
Man stelle sich das vor: Jemand lebt jahrelang in Deutschland, arbeitet, zahlt Steuern, fühlt sich als Teil dieses Landes – und dann klopft die Ausländerbehörde der Stadt Siegen und sagt sinngemäß:
„Wilhelm II. hätte das so nicht gewollt.“
Und als man das ebenfalls öffentlich macht, folgt das gleiche Muster: Schweigen im Rathaus, aber Lärm bei der Kammer.
In einer funktionierenden Demokratie nennt man das:
Angriff auf die Debatte.
Denn wer lieber Kritiker anzeigt, statt sich der Realität zu stellen, zeigt nicht Rückgrat – sondern die Angst vor Öffentlichkeit, Verantwortung und Veränderung. “Make Siegen great again” – in bester Trump’scher Manier.
Dabei hätte die Stadt mit ihrer Reaktion eine echte Chance gehabt:
Sie hätte Haltung zeigen, Transparenz schaffen und über Fehlentscheidungen reden können. Stattdessen bekommen wir: den Versuch, den Überbringer der schlechten Nachricht mundtot zu machen.
Aber:
Wer sich über Blogbeiträge beschwert, hat das Wesen der Blogbeitrags nicht verstanden.
Er ist unbequem, spitz und überzeichnet – genau deshalb braucht man ihn. Und wenn eine Stadt, die öffentlich schweigt, plötzlich intern laut wird, dann hat man offenbar genau ins Schwarze getroffen.
Satire wirkt – wenn die Stadt lieber den Anwalt rügt als den Fehler
Kolonialparagrafen, Kritikvermeidung und Kammerpost – willkommen in Siegen 1900+
Also: Danke für Ihre Aufmerksamkeit, Stadt Siegen.
Schön, dass Sie unsere Texte lesen.
Noch schöner wäre es, wenn Sie daraus etwas lernen würden.
Uns die Stadt will uns Angst machen, weswegen sie uns vorab darüber briefschriftlich informierte.
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