Transsexueller Mann gilt rechtlich als Mutter eines von ihm geborenen Kindes

Von Klaus J. StanekAllgemeines0 Kommentare

Klaus J. Stanek

Mit der Einführung des Transsexuellengesetzes (TSG) hat der Gesetzgeber bereits in den 1970er Jahren einer kleinen Gruppe von Menschen sehr geholfen und diesen die Möglichkeit gegeben, ihre Geschlechtszugehörigkeit entsprechend ihrer Veranlagung frei zu wählen. Hierbei konnte verhindert werden, dass diese zu irgendwelchen Kurpfuschern in irgendwelchen Ländern abwandertenund mit teilweise schweren gesundheitsschäden weiterleben mussten oder gar verstarben. Der Bundesgerichtshof (BGH) und auch das Bundesverfassungsgericht haben in der Vergangenheit sich mehrfach mit dem TSG befassen müssen. Hier die neuste Entscheidung:

Der für Familienrecht zuständige XII. Zivilsenat des BGH hat entschieden, dass ein Frau-zu-Mann-Transsexueller, der nach der rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung über die Änderung seiner Geschlechtszugehörigkeit ein Kind geboren hat, im Rechtssinne als Mutter des Kindes anzusehen ist.

Sachverhalt:

Der Kläger ist transsexuell und wurde  1982 als Mädchen geboren; ihm wurden die weiblichen Vornamen “B.D.” erteilt. Im November 2008 schloss der Kläger die Ehe mit einem Mann. Im Jahr 2010 wurden die Vornamen des Beteiligten zu 1 durch gerichtliche Entscheidung in die männlichen Vornamen “O.G.” geändert. Im April 2011 wurde durch gerichtliche Entscheidung festgestellt, dass der Kläger als Mann anzusehen ist. Im März 2013 gebar der Kläger ein Kind. Er hat hierzu vorgebracht, wieder fruchtbar geworden zu sein.

Verfahrensverlauf:

Das Standesamt hat das Amtsgericht um Entscheidung gebeten, wie die Geburt des Kindes im Geburtenregister zu beurkunden sei. Das Amtsgericht hat das Standesamt angewiesen, den Kläger “Mutter” in das Geburtenregister einzutragen.  Die dagegen gerichtete Beschwerde hat das Kammergericht zurückgewiesen. Mit ihren Rechtsbeschwerden möchten der Kläger und das von ihm vertretene Kind erreichen, dass der Beteiligte zu 1 als “Vater” des Kindes mit seinen männlichen Vornamen in das Geburtenregister eingetragen wird. Der BGH hat die Entscheidung des Kammergerichts bestätigt. Zwar richten sich die vom Geschlecht abhängigen Rechte und Pflichten ab Rechtskraft der Entscheidung, dass ein Transsexueller als dem anderen Geschlecht zugehörig anzusehen ist, gemäß § 10 Abs. 1 TSG* nach dem neuen Geschlecht. Nach § 11 Satz 1 TSG** lässt eine solche Entscheidung das Rechtsverhältnis zwischen ihm und seinen Kindern allerdings unberührt. Der BGH hat entschieden, dass die Vorschrift des § 11 Satz 1 TSG auch für solche leiblichen Kinder eines Transsexuellen gilt, die erst nach der Entscheidung über die Änderung der elterlichen Geschlechtszugehörigkeit geboren worden sind. Durch die Regelung wird gewährleistet, dass der biologisch durch Geburt oder Zeugung festgelegte rechtliche Status als Mutter oder Vater des Kindes gesichert und einer Veränderung nicht zugänglich ist.

Die gesetzliche Regelung ist auch nicht verfassungswidrig, insbesondere werden die Persönlichkeitsrechte des transsexuellen Elternteils nicht dadurch verletzt, dass ihm das Abstammungsrecht eine rechtliche Elternrolle zuweist, die seinem selbstempfundenen und rechtlich zugewiesenen Geschlecht nicht entspricht. Wie das Bundesverfassungsgericht bereits ausgesprochen hat, ist es ein berechtigtes Anliegen des Gesetzgebers, Kinder ihren biologischen Eltern auch rechtlich so zuzuweisen, dass ihre Abstammung nicht im Widerspruch zu den biologischen Tatsachen auf zwei rechtliche Mütter oder Väter zurückgeführt wird. Eine davon abweichende Eltern-Kind-Zuordnung hätte weitreichende Folgen für die Rechtsordnung. Mutterschaft (§ 1591 BGB***) und Vaterschaft (§ 1592 BGB****) sind als rechtliche Kategorien nicht beliebig untereinander austauschbar, weil sie sich sowohl hinsichtlich der Voraussetzungen ihrer Begründung als auch hinsichtlich der daran anknüpfenden Rechtsfolgen – beispielsweise bezüglich des Sorgerechts unverheirateter Eltern – voneinander unterscheiden. Die Zuordnung zum Kind kann für einen gebärenden Frau-zu-Mann-Transsexuellen systemgerecht nur auf eine Mutterschaft zurückgeführt werden, weil er das Kind geboren hat. Auch das verfassungsrechtlich geschützte Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung wäre betroffen, wenn das Abstammungsrecht und die darauf beruhenden Eintragungen in die Geburtenregister nicht zutreffend klarstellen würden, auf welche Fortpflanzungsfunktion (Geburt oder Zeugung) es die konkrete Eltern-Kind-Zuordnung zurückführt.

Dass die Eintragung als “Mutter” in das Geburtenregister darüber hinaus mit den früher geführten weiblichen Vornamen vorzunehmen ist, ergibt sich aus § 5 Abs. 3 TSG*****. Sowohl das Geburtenregister als auch die aus dem Geburtenregister erstellten Geburtsurkunden sollen von Hinweisen auf die Transsexualität eines Elternteils freigehalten werden. Damit verfolgt der Gesetzgeber den legitimen Zweck, es den Kindern später zu ermöglichen, ihre Herkunft mit Geburtenregistereinträgen und Geburtsurkunden nachweisen zu können, deren Inhalt einem Dritten keinen Anlass zu Spekulationen über die Transsexualität seiner Eltern bietet.

 

Karlsruhe, den 25. September 2017

* § 10 TSG Wirkungen der Entscheidung

(1) Von der Rechtskraft der Entscheidung an, daß der Antragsteller als dem anderen Geschlecht zugehörig anzusehen ist, richten sich seine vom Geschlecht abhängigen Rechte und Pflichten nach dem neuen Geschlecht, soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist. …

** § 11 TSG Eltern-Kind-Verhältnis

1Die Entscheidung, dass der Antragsteller als dem anderen Geschlecht zugehörig anzusehen ist, lässt das Rechtsverhältnis zwischen dem Antragsteller und seinen Eltern sowie zwischen dem Antragsteller und seinen Kindern unberührt, bei angenommenen Kindern jedoch nur, soweit diese vor Rechtskraft der Entscheidung als Kind angenommen worden sind. …

*** § 1591 BGB Mutterschaft

Mutter eines Kindes ist die Frau, die es geboren hat.

**** § 1592 BGB Vaterschaft

Vater eines Kindes ist der Mann,

1. der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist,

2. der die Vaterschaft anerkannt hat oder

3. dessen Vaterschaft nach § 1600d oder § 182 Abs. 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit gerichtlich festgestellt ist.

***** § 5 TSG Offenbarungsverbot

(3) In dem Geburtseintrag eines leiblichen Kindes des Antragstellers oder eines Kindes, das der Antragsteller vor der Rechtskraft der Entscheidung nach § 1 angenommen hat, sind bei dem Antragsteller die Vornamen anzugeben, die vor der Rechtskraft der Entscheidung nach § 1 maßgebend waren.

 

Beschluss vom 6. September 2017 – XII ZB 660/14