BGH: Auch Zigarettenautomaten müssen Warnhinweise zeigen
Von Klaus J. StanekAllgemeines0 KommentareIn zwei Supermärkten in München werden an den Kassen Zigarettenpackungen in Warenausgabeautomaten zum Kauf bereitgehalten. Die Zigarettenpackungen sind mit den vorgeschriebenen gesundheitsbezogenen Warnhinweisen versehen. Kann kennt es: Erst drücken und dann kommt die Packung auf das Band und wird bezahlt. Die Auswahltasten des Zigarettenautomaten sind mit Abbildungen versehen, die zwar keine naturgetreuen Zigarettenpackungen zeigen, aber hinsichtlich Markenlogo, Proportion, Farbgebung und Dimensionierung wie Zigarettenpackungen gestaltet sind. Diese Abbildungen zeigen keine gesundheitsbezogenen Warnhinweise.
Bisheriger Prozessverlauf:
Die Supermärkte wurden verklagt, weil die gesundheitsbezogenen Warnhinweise nicht auf den Automaten standen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen eingelegte Berufung ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
Der Bundesgerichtshof hat das Verfahren mit Beschluss vom 25. Juni 2020 (GRUR 2020, 1002) ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union vier Fragen zur Auslegung der Richtlinie 2014/40/EU (Tabakerzeugnisrichtlinie) zur Vorabentscheidung vorgelegt (siehe Pressemitteilung Nr. 81/2020 vom 25. Juni 2020). Der Gerichtshof der Europäischen Union hat diese Fragen mit Beschluss vom 9. Dezember 2021 (C-370/20, GRUR 2022, 93) nur teilweise beantwortet. Da es für die Entscheidung des Bundesgerichtshofs auch auf die Antworten zu den übrigen Fragen ankam, hat der Bundesgerichtshof das Verfahren mit Beschluss vom 24. Februar 2022 (GRUR 2022, 993) erneut dem Gerichtshof der Europäischen Union vorgelegt. Dieser hat die weiteren Fragen mit Urteil vom 9. März 2023 (C-356/22, GRUR 2023, 501) beantwortet.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs:
Der Bundesgerichtshof hat die Abweisung des vorrangig verfolgten Hauptantrags bestätigt, mit dem der Kläger der Beklagten verbieten lassen wollte, Zigaretten in Ausgabeautomaten zum Verkauf anzubieten, wenn dadurch die gesundheitsbezogenen Warnhinweise auf den Packungen verdeckt werden. § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 TabakerzV bestimmt, dass gesundheitsbezogene Warnhinweise auf Zigarettenpackungen zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens nicht verdeckt werden dürfen. Diese Vorschrift setzt Art. 8 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie 2014/40/EU ins deutsche Recht um und ist daher richtlinienkonform auszulegen. Aus der Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union ergibt sich, dass Zigaretten zwar schon mit ihrem Anbieten über Ausgabeautomaten und nicht erst mit dem Abschluss eines Kaufvertrags in den Verkehr gebracht werden. Allerdings sind gesundheitsbezogene Warnhinweise auf Zigarettenpackungen nicht im Sinne dieser Vorschriften verdeckt, wenn die Zigarettenpackungen in Ausgabeautomaten vorrätig gehalten werden und deshalb von außen überhaupt nicht sichtbar sind. Kann der Verbraucher – wie im Streitfall – die im Automaten eingeschlossene Packung von außen überhaupt nicht sehen, wird er keinen Kaufimpuls verspüren, dem durch die gesundheitsbezogenen Warnhinweise entgegengewirkt werden soll.
Die Revision des Klägers hat allerdings Erfolg, soweit sie sich gegen die Abweisung des Hilfsantrags wendet, der auf das Verbot der Verwendung von Abbildungen von Zigarettenverpackungen ohne gesundheitsbezogene Warnhinweise auf den Auswahltasten des Automaten gerichtet ist. Insoweit hat der Bundesgerichtshof das Berufungsurteil aufgehoben und den Beklagten zur Unterlassung verurteilt. Gemäß § 11 Abs. 2 TabakerzV müssen Abbildungen von Packungen, die für an Verbraucher gerichtete Werbemaßnahmen in der Europäischen Union bestimmt sind, den Anforderungen der Tabakerzeugnisverordnung zur Verpackung und zu Warnhinweisen genügen. Diese Vorschrift setzt Art. 8 Abs. 8 der Richtlinie 2014/40/EU ins deutsche Recht um und ist deshalb gleichfalls richtlinienkonform auszulegen. Nach der Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen liegt eine Abbildung im Sinne dieser Vorschriften nicht nur bei einer naturgetreuen Abbildung einer Zigarettenpackung vor, sondern bereits dann, wenn die Abbildung – wie im Streitfall – an eine Zigarettenpackung erinnert. Von einer solchen Abbildung geht ein vergleichbarer Kaufimpuls aus. Sie muss daher ebenfalls einen gesundheitsbezogenen Warnhinweis aufweisen.
Quelle: BGH