BVerfG: Ausländer muss für Aufenthaltstitel nicht zurück ins Heimatland

Von Daniel NierenzAllgemeines, Ausländerrecht0 Kommentare

Abgelehnte Asylbewerber, die zusammen mit einem deutschen Partner ein oder mehrere Kinder oder diese zusammen mit einem aufenthaltsberechtigten (ausländischen) Partner haben, werden von den Ausländerbehörden („ABH“) regelmäßig aufgefordert, das Visumsverfahren für eine Familienzusammenführung bei der deutschen Botschaft im Herkunftsland zu betreiben. Dies bedeutet, dass der Ausländer in sein Heimatland reisen muss, um von dort aus das Visumsverfahren zu betreiben. Diese oft zweckbefreite Praxis der ABH führt zur Unsicherheit, zur Entfremdung der Kinder vom ausreisenden Elternteil, zu hohen Kosten und weiterer Umweltschädigung durch die Reisetätigkeit. Welchen Vorteil sich die ABH dadurch verschafft, ist für viele Personen nicht erkennbar.

Diese unangenehme und lästige Praxis der Ausländerbehörden, von einem Ausländer, der in Deutschland z.B. als abgelehnter Asylbewerber einen Aufenthaltstitel zur Familienzusammenführung beantragt, eine Rückreise in sein Heimatland zur Visumsbeantragung bei der deutschen Botschaft zu verlangen, begründen die ABHs mit dem anderen Zweck seiner damaligen Einreise (hier: Stellung eines Asylantrags).

Diese Unsitte hat das Bundesverfassungsgericht in einer bemerkenswerten Entscheidung vom 02. November 2023 zu Az. 2 BvR 441/23 als unvereinbar mit Art. 6 Grundgesetz für nichtig erklärt:

„Kann die Lebensgemeinschaft zwischen einem Ausländer und seinem Kind nur in der Bundesrepublik Deutschland stattfinden, etwa weil das Kind die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt und ihm wegen der Beziehungen zu seiner Mutter das Verlassen der Bundesrepublik Deutschland nicht zumutbar ist, so drängt die Pflicht des Staates, die Familie zu schützen, einwanderungspolitische Belange regelmäßig zurück. Es kommt in diesem Zusammenhang nicht darauf an, ob die von einem Familienmitglied tatsächlich erbrachte Lebenshilfe auch von anderen Personen erbracht werden könnte. Bei einer Vater-Kind-Beziehung kommt hinzu, dass der spezifische Erziehungsbeitrag des Vaters nicht durch Betreuungsleistungen der Mutter oder dritter Personen entbehrlich wird, sondern eigenständige Bedeutung für die Entwicklung des Kindes haben kann (vgl. BVerfGK 7, 49 <56>; BVerfG, Beschlüsse der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 23. Januar 2006 – 2 BvR 1935/05 -, Rn. 17, vom 5. Juni 2013 – 2 BvR 586/13 -, Rn. 13 und vom 9. Dezember 2021 – 2 BvR 1333/21 -, Rn. 46).“

Wir hoffen sehr, dass diese Entscheidung unseres höchsten deutschen Gerichts diese unselige Praxis der ABHs nunmehr dauerhaft beendet.

Sollten Sie von der ABH trotzdem aufgefordert werden, das Visumsverfahren von Ihrem Heimatland aus zu betreiben, stehen wir Ihnen gerne mit Rat und Tat zur Verfügung.