Tod eines Unschuldigen
Von Klaus J. Stanek#KleverJVASkandal, Allgemeines, Amad A., Asyl, Ausländerrecht, Einstellung des Strafverfahrens, Interessantes, JVA, Lesenswertes, Polizei, Rechtsanwalt Netphen, Staatsanwaltschaft, Strafrecht3 KommentareIm September 2018 verbrannte unser Mandant und Freund, der syrische Kurde Amad A. (26), in einer Gefängniszelle der JVA Kleve unter nicht geklärten Umständen. Zwei Wochen später verstarb er an den Folgen seiner schweren Verbrennungen. Dann kam heraus, dass Amad unschuldig inhaftiert war – verwechselt mit einem schwarzafrikanischen Malier, der von der Polizei Hamburg mit Haftbefehl gesucht wurde. Problem war nur, dass der Malier bereits im Januar 2018 abgeschoben wurde, also gar nicht mehr erreichbar war für die deutsche Justiz. Warum Amad sich nicht an uns gewandt hatte, wissen wir bis heute nicht. Angeblich hat er nur ein einziges Mal auf die Verwechselung hingewiesen. Dies halten wir für nicht glaubwürdig. Seine Identität wurde im nachhinein mit der des Maliers “kompatibel” gemacht – drei Tage nach seiner Inhaftierung.
Amad meldete sich immer wieder, wenn er Probleme hatte oder einfach nur so. Warum er nicht versucht hatte, aus der JVA Kleve heraus uns anzurufen, ist unverständlich. Überwachte Telefonate von Inhaftierten sind normal. Hat man ihn nicht telefonieren lassen? Wir wissen es nicht.
Im November 2019 stellte die federführende Staatsanwaltschaft Kleve die Ermittlungen ein, weil sich aus ihrer Sicht kein konkreter Tatverdacht ermitteln ließ – weder gegen die schlampig arbeitenden sechs Polizeibeamten der Kreispolizeibehörde Kleve noch gegen Bedienstete der JVA Kleve – mangels Verdacht. Das Ergebnis ist rechtstaatlich, aber durch und durch unbefriedigend.
Bereits 2018 wird im Düsseldorfer LAndtag ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss (PUA3) eingerichtet, der den Vorgang aufklären soll. Immerhin hatte eine Überprüfung durch den Justizminister Biesenbach (CDU) ergeben, dass insgesamt vier weitere Personen in NRW aufgrund einer Verwechselung inhaftiert waren und somit unschuldig einsaßen.
Im März 2020 wird der Autor dieses Beitrags vor den PUA3 im Düsseldorfer Landtag geladen. Die ganze Atmosphäre war sehr freundlich, aber auch sehr sachorientiert. Nicht vergleichen konnte man dies mit einer Zeugenvernehmung vor Gericht. Es ging inhaltlich vor allem um die psychische Verfassung von Amad A.
Mittlerweile hat sich herausgestellt, dass die Staatsanwaltschaft Braunschweig im August 2018 eine weitere Anklage gegen den abgeschobenen Malier Amedy G. erheben wollte. Um diese zuzustellen, hat die Staatsanwaltschaft nach dem Beschuldigten gefahndet und stieß auf den Inhaftierten Amad A. Die Staatsanwaltschaft in Braunschweig verglich die Fotos der beiden und ihr fiel sofort auf, dass der dunkelhäutige Malier niemals der für diesen inhaftierte hellhäutige Amad A. sein konnte. Die ermittelnde Staatsanwältin aus Braunschweig bemerkte also den Fehler umgehend. Daraufhin informierte diese sofort telefonisch die Polizei Kleve und es passierte nichts. Der zuständige Kriminalbeamte der Polizei Kleve informierte nicht umgehend die zuständigen Stellen, was zu einer umgehenden Freilassung unseres Freundes Amad A. geführt hätte. Der zuständige Kriminialbeamte tat …….. nichts. § 345 StGB ist da sehr eindeutig:
§ 345
Vollstreckung gegen Unschuldige
(1) Wer als Amtsträger, der zur Mitwirkung bei der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe, einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung oder einer behördlichen Verwahrung berufen ist, eine solche Strafe, Maßregel oder Verwahrung vollstreckt, obwohl sie nach dem Gesetz nicht vollstreckt werden darf, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
Bei diesem Vorwurf handelt es sich um ein Verbrachen des Kriminalbeamten. Wer als Amtsträger ein Verbrechen begeht, ist aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen. Die Staatsanwaltschaft Kleve hat die Ermittlungen gegen diesen Beamten nunmehr wieder aufgenommen.
Dieser Beamte hat im November 2019 vor dem PUA3 zeugenschaftlich ausgesagt. Von dem Anruf der Staatsanwältin aus Braunschweig sagte er nichts. Ob auch hier ein weiterer Gesetzesverstoß – uneidliche Falschaussage – vorliegt, muss die Staatsanwaltschaft Kleve nunmehr ermitteln. Amad wird man dadurch zwar weder lebendig machen können noch ihn für seinen Tod in Haft als Unschuldiger entschädigen können, aber seine Ehre hat eine rechtstaatliche Aufklärung der Umstände und Hintergründe eindeutig verdient.
Je mehr ich über diesen Fall erfahre, desto sprachloser und wütender werde ich 😡😡. Mein ausdrücklicher Dank und meine Hochachtung für die journalistische Arbeit gehen an das Recherche-Team des WDR, die in dieser Sache niemals losgelassen haben, um die Wahrheit herauszufinden. Ebenfalls danke ich allen anderen Journalisten, die über diesen Fall berichten.
https://www1.wdr.de/nachrichten/landespolitik/wende-im-fall-amed-a-100.html
https://www1.wdr.de/mediathek/video/sendungen/westpol/video-westpol-660.html (ab Minute 17:00)
https://www1.wdr.de/nachrichten/fall-amad-a-ermittlungen-gegen-polizeibeamten-100.html
Ja was soll man dazu schreiben ? Es macht Angst und es macht Zornig!
Was das Justizkriminalitätsopfer Amad A. nicht erfahren hat:
1. Art. 104 GG verlangt, dass ein Festgenommener innerhalb von spätestens 48h den Haftrichter vorgeführt wird, sonst ist er sofort freizulassen. Und zwar bei dem Amtsgericht in dessen Rechtsbezirk bei den die Festnahme vorgenommen wird. Selbst wenn die richtige Person mit einen gültigen Haftbefehl aus Hamburg festgenommen wurde, musste der Inhaftierte erneut in Kleve vorgestellt werden.
2. Wenn er aufgrund eines Haftbefehls verhaftet wird, ist ihm bei der Verhaftung eine Beglaubigte Abschrift des Haftbefehls zuzustellen, die die Unterschrift des Richters trägt und von einem echten Urkundsbeamtin formgerecht beglaubigt wurde (§§37, 114 StPO, §166, 115, 317 ZPO. §39 BeurkG, §126 BGB u.w).
3. Eine Abschrift des Haftbefehl eines U-Richters ist den Inhaftierten persönlich innerhalb einer Woche zuzustellen 114 Abs.1 StPO u.w.,
4. Ein Inhaftierte hat bereits bei der Festnahme Anspruch auf einen
Pflichtverteidiger gehabt, weil ihm eine Straftat vorgeworfen wird oder U-Haft ausgeführt wird ($140 StPO).
5. Der leitenden JVA-Beamte für die Verfahrensrechte eines Insassen unmittelbar selbst zu prüfen nach den vorliegenden Urkunden der Akte.
Eine Datenbank dürfte hier deshalb eigentlich keine Schwein interessieren. – Reines Ablenkungsfeuer.
Nachdem ich durch Internetrecherche wieder über meinen alten Beitrag gestolpert bin, wollte ich hier abschließend den Ermittlungsabschluss kritisieren.
Nachdem der Untersuchungsausschuss III NRW seine Arbeit “abgeschlossen hat”, Erschien ein netter Propagandafilm beim WDR, auf dem wäre selbst Goebbels stolz darauf gewesen:
https://www1.wdr.de/nachrichten/landespolitik/untersuchungsausschuss-amad-a-westpol-100.html
Übrigens Herbert Reul (CDU), Landesinnenminister NRW war Mitglied des Sendebeirates des WDR. Nun das der WDR für die nordrheinwestfälische Landesregierung das ist, was RT für den Kreml, ist je kein Geheimnis mehr. Aber der Beitrag war wirklich unverschämt extrem populistisch und politisch motiviert. Dann will ich mal ausführen, was von gesamten Untersuchungsausschuss und in dem Beitrag mit keinen Wort erwähnt wurde:
1. Ein Tatverdächtiger, der in einem Bundesland verhaftet wurde, dem muss im selbem Bundesland der Prozess gemacht werden und im selben Bundesland inhaftiert werden. Seit der Föderalismusreform gibt es keine Ausnahme mehr. Theoretisch besteht noch die Möglichkeit das Strafurteile aus mehreren Bundesländern vorliegen. Dann entscheidet eine Strafvollzugskammer §§ 462a, 463 StPO in welche Knast die Strafe abzusitzen ist. Dort vorgestellt wird man auf Anweisung eines Haftrichters, den Ahmad A. ja nie gesehen hat. So weiß jeder Strafvollzugsbeamter Deutschlands eigentlich mit verbundenen Augen, dass ein Inhaftierter allein mit Hamburger Unterlagen für ein nordrhein-westfälischen Knast kein gültiges Ticket hat. Der darf dort noch nicht mal zur Überführung zwischengelagert werden, welchen dann 2.5 Monate gedauert hätte.
2. Ahmad A. wurde bereits am Baggersee in Geldern festgenommen, weil die Polizei ihm zwang in das Auto zu steigen. Man nennt das eine informelle Festnahme. Mit Ihr beginnt bereits die Pflicht und Frist zur Vorstellung bei Haftrichter, wenn bis 23:59:59 des nächsten Tages keine Freilassung erfolgt und danach darf keine erneute U-Haftanordnung mehr, ohne weitere Tatvorwürfe mehr vorgenommen werden.
3. Der BGH hat bereits entschieden, dass die Gefängnisakte eines Strafgefangenen mit dem Strafgefangenen jederzeit IT-unabhängig transportierbar sein muss. D.h. Ahmad A. hätte am Tor der JVA Kleve bereits der Lieferschein um den Hals hängen müssen. Das Rumreiten auf einer Datenbank nach § 110a StVollzG – Elektronische Aktenführung; Verordnungsermächtigungen
(1) 1Die Gerichtsakten können elektronisch geführt werden. 2Die Landesregierungen bestimmen durch Rechtsverordnung den Zeitpunkt, von dem an die Akten elektronisch – ja dazu hat der BGH bereits entschieden – Nix! Nur redundant zulässig. – Und diese ersetzt auch nicht die Beglaubigte Abschrift des Strafurteils in Papierform, die er erhalten müsste, mit dem korrekten Rubrum. Dann wäre die Verwechselung wohl aufgefallen, insb. mit den Fingerabdrücken. Falsche Eingaben in eine Datenbank gelten als Mittelbare Falschbeurkundung (§ 271 Abs. 3 StGB), die ja hier auch nicht verfolgt wurden. Ob die Angestellte dafür herhalten muss oder gegen unbekannt ermittelt wird ist unerheblich.
4. Denn wie wir wissen, wurde der Mali Ahmad A. bereits 2018 des Landes verwiesen. D.h. es darf gar kein Strafurteil mehr geben und der Staatsanwalt hat eine Verurteilung nach dem Aufenthaltsrecht zugestimmt und ein Strafurteil wurde aufgelöst, sonst begeht man nämlich Strafvereitelung im Amt.
5. Strafvereitelung im Amt (§ 258a) beging hier jeder Staatsanwalt, der das Verfahren einstellte oder die Strafverfolgung unterließ. Denn seit 2014 hat das BVerfG bereits entschieden besteht ein Anspruch auf Strafverfolgung Dritter, wenn
a. Erhebliche Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung und die Freiheit der Person, unter dieser Prämisse insbesondere bei
b. Delikten von Amtsträgern (ein Amtsträger wird verdächtigt, in Ausübung des ihm anvertrauten öffentlichen Amtes eine Straftat begangen zu haben),
c. Straftaten, bei denen sich die Opfer in einem besonderen Obhutsverhältnis zur öffentlichen Hand befinden,
d. Straftatbestände, die die Rechtspflege schützen sollen.
6. Der verfassungswidrige Vollstreckungshaftbefehl (§ 457 StPO, wider Art. 104 GG) gilt nur für Polizei und Staatsanwälte. Am Tor der JVA Kleve gelten wieder die gerichtlichen Dokumente, die nie vorlagen.
7. Der Straftat bestand “Vollstreckung gegen Unschuldige” nach Internationalen Recht sogar für den Mali Ahmad A.
Denn Art. 48 Abs. 1 der Europäischen Grundrechtscharta (GRCh oder GRC) besagt:
“Jeder Angeklagte gilt bis zum rechtsförmlich erbrachten Beweis seiner Schuld als unschuldig.”
Jeder Versuch durch nationales Recht diese Verfahrensrechte durch eigene Rechtsnormen und Gerichtsentscheidungen einzuschränken oder auszunehmen, wurde sofort in Art. 54 GRC verboten:
“Keine Bestimmung der Charta ist so auszulegen, als begründe sie das Recht, eine Tätigkeit auszuüben oder eine Handlung vorzunehmen, die darauf abzielt, die in der Charta anerkannten Rechte und Freiheiten
abzuschaffen oder sie stärker einzuschränken, als dies in der Charta vorgesehen ist.”
Ähnliches steht auch Art. 6 Abs. 2 der Europäischen Menschenrechts Konvention (EMRK) die seit 1958 gültig ist. Ein
rechtsförmlich erbrachter Beweis bedeutet, dass
a. er sowohl vor einem ordentlichen, formgerechten Gericht erbracht wurde,
b. formgerecht eingebracht wurde,
c. darüber formgerecht entschieden wurde,
d. ein formgerechtes Urteil, einen formgerechten Beschluss oder formgerechte Verfügung verfasst, den
Parteien formgerecht zugestellt und formgerecht empfangen worden ist,
e. nach internationalen Recht überhaupt als Beweis gilt.
Entscheidungen des EuGH überlagern nach herrschender Rechtsmeinung sogar das Grundgesetz als unmittelbare Recht (Anwendungsvorrang) in der Rechtsnormenhierarchie.
8. § 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO regelt nun, dass ein Fall der notwendigen Verteidigung immer dann vorliegt, wenn der Beschuldigte sich aufgrund richterlicher Anordnung oder mit richterlicher Genehmigung in einer Anstalt befindet, also beispielsweise Strafhaft verbüßt. Auch hier findet eine Vorverlegung des Zeitpunktes für eine notwendige Verteidigung statt. Nach altem Recht galt eine Haftdauer von drei Monaten und keine Entlassung mindestens zwei Wochen vor Beginn der Hauptverhandlung als Voraussetzung für die Beiordnung eines Pflichtverteidigers. Das Gesetz wurde zum Jahreswechsel 2019/2020 geändert.
https://www.drb-nrw.de/wissenswertes/102-gesetzgebung/807-recht-der-pflichtverteidigung-neu-geregelt
Zur Erinnerung: Ahmad A. verbrannte nach 2,5 Monate !!!
Daher sage ich: Der wurde ermordet! Damit ein Duzend andere Beamte nicht in den Knast müssen.
9. Die nächste Frage war, wieso wurden die Angehörigen nicht informiert oder sein ehemaligen Anwälte hier, dazu ist keine Initiative von Ahmad A. nötig gewesen und war gesetzliche Vorschrift (§114c Abs. 2 StPO)
Wie konnte ein gesamte Rechtsausschuss über dreieinhalb Jahre übersehen=! Weil 60-80% der deutschen Volljuristen keine rechtmäßig erworbenen Staatsexamen mehr besitzen und/oder für Job nicht ausgebildet wurden. Und diese haben sich besonders in den Parlamenten konzentriert. Und warum schweigt der Rest der Medien? – Weil sie zu diesem Thema gleichgeschaltet sind. Das waren hier keine Zufälle. Das waren die Methoden der Nazijustiz, die seit der gescheiterten Entnazifizierung vorliegt.
https://zeitgeschichte-online.de/themen/der-dolch-unter-der-richterrobe
https://www.bmj.de/SharedDocs/Publikationen/DE/Akte_Rosenburg_Geschichtsband_1.pdf?__blob=publicationFile&v=24
https://justiz-und-recht.de/bernd-ruethers-die-heimliche-revolution-vom-rechtsstaat-zum-richterstaat-ein-essay-ueber-entgrenzte-auslegung-methodenwechsel-und-kontinuitaet-beim-regimewechsel-und-andere-unheimliche-phaenomene/
https://taz.de/Nazi-Richter-am-Bundesarbeitsgericht/!5743459/
https://www.gewaltenteilung.de/